ALLE SPRACHE IST BEZEICHNUNG DER GEDANKEN
Anlässlich des Weltfrauentags am 08. März hat Kristin Rose-Möhring, die Gleichstellungsbeauftragte im Familienministerium, einen internen Antrag gestellt, unsere Nationalhymne gendergerechter zu machen. Die beiden Begriffe „Vaterland“ und „brüderlich“ könnten verändert werden zu:
Einigkeit und Recht und Freiheit, für das Deutsche Heimatland!
Danach lasst uns alle streben, couragiert mit Herz und Hand!
Ein wunderbarer Vorschlag, wie ich finde, der erstens außerdem unsere große „Heimatbegriff“-Debatte positiv inspirieren könnte und der zweitens im Übrigen nichts Spektakuläres ist. Bereits 2012 wurde in der österreichischen Bundeshymne „Heimat bist Du großer Söhne“ in „Heimat großer Töchter und Söhne“ geändert und auch Kanada hat „True patriot love in all thy sons“ zu „in all of us“ verändert.
Die Reaktionen auf Rose-Möhrings Vorschlag empfinde ich als ebenso erschreckend wie typisch: Von Genderwahnsinn ist die Rede, also davon, es mit der Gleichberechtigung von Frauen zu weit zu treiben.
Natürlich sind dies typische Schutzreflexe und Abwehrhaltungen, denn wer sich bewusst macht, wie stark Worte wirken, welche Ausstrahlung sie haben und wie symbolisch naturgemäß gerade eine Nationalhymne ist, die uns als Volk bei wichtigen Ereignissen repräsentieren soll, müsste genau umgekehrt argumentieren und sagen: es wird höchste Zeit.
Wie entlarvend außerdem, dass gendergerechte Sprache in Behörden, Vereine, Ämter, Verwaltungen, Verbände seit Jahren Pflicht ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GGO I, Anhang 1 zur GGO II, Nr. 2 Satz 3), aber nicht in unserer Hymne.
Die positive symbolträchtige Bedeutung, die eine so sensibel veränderte Hymne hätte, lässt sich gar nicht groß genug einschätzen: von politischen Ereignissen über Olympiaden bis hin zu Fußball-Länderspielen.
Dann wird außerdem argumentiert, dass man den Text von Hoffmann von Fallersleben ja nicht „einfach so“ ändern könne. Meine Meinung dazu: entweder er hat bei seinem „Lied der Deutschen“ auch die deutschen Frauen im Geist gehabt: dann wird diese Änderung in seinem Sinn sein (denn als sprachsensibler Poet weiß er um die historische Veränderung von Worten). Und falls er lediglich den Wert männlicher Brüderlichkeit gemeint hat, dann sollte sich Deutschland nicht damit identifizieren müssen.
„Alle Sprache ist Bezeichnung der Gedanken,“ sagte Immanuel Kant. Und dies gilt für beide Richtungen: Sprache bezeichnet das, was wir denken und umgekehrt wird das, was wir denken, von unserer benutzen Sprache beeinflusst.
Wir Frauen werden diesbezüglich ja immer getröstet: wir sollen uns nicht so anstellen, wir seien doch „mitgemeint“. Wie lange es wohl noch dauern wird, bis wir nicht nur „mitgemeint“, sondern tatsächlich „gemeint“ sind – auf gleicher Augen- und Gedankenhöhe? Und wie lange, bis wir in natürlicher Konsequenz dann auch konkret genannt und „bezeichnet“ werden?
Was denken Sie?
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