warmhalten

Mein Blick auf Dinge ist animistisch. Ich spüre den Geist, der sie belebt. Das Herz, das in ihnen schlägt. Die Idee, die sie verkörpern.

Wärmflaschen beispielsweise. In ihrer eigentlichen Bestimmung bestehen sie zum Großteil aus Wasser. Wie wir Menschen. Von jedem aufgenommenen Wasser, von allem, was sie sozusagen erfüllt, bleibt ein kleiner Rest erhalten und wird – ebenfalls wie bei uns – als Erinnerung gespeichert.
Wärmflaschen sind auf intime Weise mit uns verbunden. Sie teilen mit uns das Bett. Sie kennen unsere Schmerzen und Krankheiten, unsere Schwachstellen und Nachtseiten.


Motivation für meine Sammlung ‚warmhalten‘ war die Ausgangsfrage: Wie kann ich die Erinnerung bewahren an Besuche bei FreundInnen, bei denen ich auf Reisen übernachte? Wie kann ich meine Erinnerung im wahrsten Sinn des Wortes warmhalten?
Als symbolisches Erinnerungs-Ritual füllte ich also am Ende eines jeden Besuchs Leitungswasser aus dem intimsten Ort, dem Badezimmer, in eine mitgebrachte blaue Wärmflasche und hängte ihr ein kleines Schildchen mit Ort und Datum um den Hals.

Nach rund drei Jahren lagen etwa 20 dieser Warmhaltewesen in meiner Wohnung beieinander. Sie sahen aus wie schlafende Schildkröten. Kleine pralle Körper, gefüllt mit Wasser.
Dann beschloss ich, die Wärmflaschen aus ihrer künstlichen Umgebung zu befreien und der Natur auszusetzen. Seit rund acht Jahren leben sie nun auf der Terrasse und erleben Sonne, Regen und Schnee. Irgendwann macht der Regen die Schrift auf einem Erinnerungs-Schildchen unlesbar und ein Sturm reißt ein Schildchen mit sich fort.


Von Jahr zu Jahr tritt der Charakter dieser Wesen deutlicher hervor. Ihre Gesichtszüge werden individueller, die Haut ihres Körpers bekommt Pigmentflecken, Falten und rissige Stellen. In ihnen spiegelt sich der Prozess menschlichen Alterns, so kommt es mir vor.
Und: je ausdrucksstärker ihr Charakter wird, umso mehr verblasst meine Erinnerung an den jeweiligen Besuch. Auch das ein natürlicher Prozess? Der Lauf der Dinge? Das Wesen der Erinnerung?


Die Lebenszeit der Wärmflaschen ist unterschiedlich lang. Die einen sind robuste Naturen, während andere besonders sensibel auf äußere Einflüsse reagieren. Doch früher oder später ist kein Tropfen Wasser mehr in ihnen und sie sterben. Dann nehme ich sie aus der Gemeinschaft der anderen und bette sie an einen geschützten Ort. Meine Erinnerung gilt nun nicht mehr den Besuchen, die sie in sich getragen haben, sondern ihnen selbst und ihrem Leben hier bei mir.