28. Oktober 2018

BUNTE HERREN

In dieser Woche ist mir ein Zettel aufgefallen, der bei uns im Hausflur hängt: Gib mir die ZEIT zurück! Sofort!

Woran haben Sie beim Lesen spontan gedacht? An das Wochenmagazin? Stimmt! (Der Zettel hängt über den Briefkästen). Aber vielleicht haben Sie – so wie ich – außerdem an die Zeitdiebe aus Michael Endes Momogedacht? Der Untertitel dieses Kinderromans lautet nämlich Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte.

An diese grauen Herren mit grauer Haut, grauen Sakkos und Autos und mit ihren Zigarren aus getrockneter Zeit im Mund.

Die grauen Herren also haben die ZEIT gestohlen, im Buch beispielsweise Beppo dem Straßenkehrer, Fusi dem Friseur und Gigi, dem Fremdenführer und Katzenfutterverkäufer. Diese  drei können sich nicht aus eigener Kraft wehren, denn sie sind nicht nur ihrer Zeit, sondern auch ihrer Fantasie und Kreativität beraubt.

Ganz anders unser/e HausmitbewohnerIn, die einen sehr kreativen Vorschlag macht. Der Zeitdieb dürfe gern mitlesen, müsse aber fragen.

Und jetzt sehen Sie sich bitte nochmal das Foto an und kneifen ein bisschen die Augen zu. Sehen Sie? Das große „S“ von „mitlesen“ sieht jetzt aus wie ein kleines „b“ und das Angebot auf dem Zettel klingt somit noch viel verführerischer: Die Zeitdiebe dürfen mitleben, sie müssen lediglich fragen.

Ich mache mal eine entsprechende Erzählvariante für Momo: das Happy End besteht nicht mehr daraus, dass die grauen Herren am Ende sterben müssen wie im Roman, sondern dass sie stattdessen als bunte Herren erstens gemeinsam mit den Anderen und zweitens wesentlich glücklicher leben werden.

Jetzt hoffe ich nur noch, dass sich unser HausZEITdieb melden und bald auch mitleben wird. Ich sage Ihnen dann bescheid, ja?

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