DAS VERGNÜGEN VON SICH SELBST BEDIENT ZU WERDEN
Sind Sie schon einmal von sich selbst bedient worden?
Ich hatte vor ein paar Tagen im Frühstücksraum eines Hotels dieses besondere Vergnügen. Die Bedienung, die mit einer kleinen silberglänzenden Thermoskanne an meinen Tisch kam, nach meiner Zimmernummer fragte und wissen wollte, ob ich Kaffee trinken würde, hieß Sandra Schneider. Das konnte ich auf ihrem Namensschild lesen und war kurz sprachlos, wie Sie sich denken können.
„Nein, das gibt’s doch nicht.“ sagte ich. „Sie heißen Sandra Schneider!“
Meine Verblüffung konnte sie verständlicherweise erst einmal nicht nachvollziehen. Aber als ich ihr den Grund nannte, schüttelte sie ebenfalls den Kopf und grinste. In der kommenden halben Stunde nickten wir uns mehrmals verschwörerisch zu und während ich sie beobachtete, wie sie weitere kleine glänzende Thermoskannen hin und herschleppte, Orangensaft auspresste, Geschirr abräumte und Brösel von Tischen wischte, stellte ich mir vor, wie es wäre, unter anderen Lebensumständen nicht mein eigenen Leben zu leben, sondern ihres.
Ich würde noch früher aufstehen als ich es sowieso schon tue und würde auf dem Blog meiner Website namens Frühstücksschneiderei über all das schreiben, was und wer mir im Frühstücksraum während meiner Arbeit begegnet. Über einen Gast beispielsweise, eine Frau, die an einem Novembermorgen in den Frühstücksraum kam und ebenfalls Sandra Schneider hieß.
Sie sehen, das Thema Alter Ego begleitet mich seit meinem Memoji-Eintrag von letzter Woche weiter.
Fotografieren lassen wollte sie sich übrigens nicht. Von einem gemeinsamen Selfie ganz zu schweigen. Aber immerhin durfte ich ihr Namensschild fotografisch festhalten. Als Beweis. Für den Fall, dass Sie mir nicht glauben.
P.S.: Und natürlich interessiert mich, ob Sie jemanden mit Ihrem Namen kennen?
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