23. Juni 2013

DEM GEISTESMENSCHEN IST DAS SO GENANNTE NICHTSTUN JA GAR NICHT MÖGLICH

Gestern. Samstag Abend. Fernsehabend.

Beim Fernsehprogrammheft-Blättern springt mir ein Film mit Namen „Die Auslöschung“ ins Auge. Eine mir unbekannte Verfilmung von Thomas Bernhards zentralem Roman „Auslöschung“? Nein, der neue Film mit Gedeck und Brandauer, in welchem dieser einen Kunsthistoriker spielt, der an Alzheimer erkrankt.

Ich sehe mir den Film trotzdem an und mache dann mit einer echten Literaturverfilmung weiter: Der talentierte Mr. Ripley von Patricia Highsmith. Die ersten drei Sätze des Films – gesprochen von der Hauptfigur aus dem Off – lauten: “Könnte ich doch nochmal von vorne anfangen. Könnte ich doch alles auslöschen. Einschließlich mich selbst.“

Heute. Sonntag Vormittag. Traditionell der Nichtstun-Tag der Woche. Eigentlich. Kirchenglocken draußen.

Gestern Nacht war ich zu müde, aber heute suche ich Bernhards Auslöschung aus meinen Bücherstapeln und erinnere mich an die Zeit, in der ich monatelang nichts anderes als die Bücher dieses Autors gelesen habe. Das ist zwar über 20 Jahre her, aber die Faszination ist geblieben. Ich fange an, in diesem Roman zu lesen, überspringe, blättere, lese mich fest und lande auf einer Seite, die gespickt ist mit wunderbaren Sätzen über das sogenannte Nichtstun:

„Meine Eltern (…) hassten das sogenannte Nichtstun, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass ein Geistesmensch das Nichtstun gar nicht kennt, es sich gar nicht leisten kann, dass ein Geistesmensch gerade dann in der äußersten Anspannung und in dem allergrößten Interesse existiert, wenn er sozusagen dem Nichtstun frönt.“

„Dem Geistesmenschen ist das sogenannte Nichtstun ja gar nicht möglich.“ „Der Geistesmensch ist aber genau im Gegenteil am allertätigsten, wenn er sozusagen nichts tut.“

Heute Sonntag also. Sogenannter Sonntag. Sogenannter Nichtstun-Tag. Eben!

 

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