27. August 2021

DIE EXTERNISTEN

Diesen Blogpost schreibe ich mit Diktierfunktion und fremder Hilfe. Der Grund: Ich bin vor kurzem gestürzt, auf meinen Ellenbogen gefallen und trage jetzt einen Gips. 

Als ich in der Notfallambulanz das Waldkrankenhauses hier in Berlin nach rund 7 Stunden kurz vor Mitternacht schließlich in einen weiteren Flur geschickt werde, um auf ein CT zu warten, fällt mein Blick auf eine Mineralwasserflasche. “Externistenquelle“ steht auf dem Etikett. 

Externisten? Natürlich kenne ich Internisten, aber von Externisten hatte ich noch nie gehört. Wenn sich Internist*innen um innere Krankheiten kümmern, um welche externen Krankheiten kümmern sich dann Externist*innen? Und wie interessant: ein Mineralwasser für eine bestimmte Berufsgruppe. Aber warum auch nicht? 

An diesem Punkt blieb ich in einer Gedankensackgasse stecken, einer zähen Melange aus Müdigkeit und Schmerzen, ausgeleuchtet durch grelles Neonlicht. Ich starrte weiter minutenlang auf das Etikett und erkannte plötzlich, dass die Externistenquelle in Wirklichkeit „Externsteinquelle“ hieß. Ich hatte beim Lesen einen Buchstaben vertauscht. 

Warum schreibe ich das? Weil es für mich ein typisches Beispiel dafür ist, wie sehr die spezifische geistige, emotionale und körperliche Verfassung, in der wir uns im Moment des Lesens eines Wortes oder eben auch Textes befinden, unsere Rezeption beeinflussen kann. 

Dies beginnt bei dem, was ich als “Freud’sche Verleser“ bezeichne (als Pendant zu Freud‘schen Versprechern) und trifft auch auf die sogenannten Relektüre eines Romans zu, den wir vor 20 Jahren das erste Mal gelesen haben und beim zweiten Lesen nun ganz anders wahrnehmen und interpretieren. Die Wörter sind dieselben, aber wir sind jemand Anderes. 

P.S: Wie haben Sie das Wort gelesen? Höchstwahrscheinlich abhängig davon, ob Sie zuerst das Foto angesehen oder den Titel gelesen haben. Beziehungsweise an welcher Stelle des Textes Sie sich das Foto dann genauer angesehen haben, oder was denken Sie? 

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