DÜRFEN DIE MUSEN SINGEN, WENN DIE WELT IM ARGEN LIEGT?
Heute das Krim-Referendum.
Gestern auf der Leipziger Buchmesse die vom Goethe Institut initiierte Diskussion „Wozu Literatur?“, auf der der russische Autor Michail Schischkin sagt, es sei nicht möglich, „in einem Zimmer an einem Roman zu schreiben, in dem gerade ein Mord passiert.“ (er meint damit die Live-Fernsehbilder aus den Kampfgebieten). Aber er könne nur das, was er könne. Also werde er „mit Worten kämpfen.“
Vorgestern die aktuelle Bachmann Preisträgerin mit ukrainischen Wurzeln, Katja Petrowskaja, die der Überzeugung ist, gerade auch Autor*innen müssen alles daran setzen, Putin „zurückzuscheuchen“.
Vor fünfundvierzig Jahren die 68er, die den „Tod der Literatur“ aus Gründen eines politisch-moralischen Utilitarismus verkünden. Vor fünfundsechzig Jahren Theodor Adorno, der postuliert: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben ist barbarisch.“ Immer wieder also aufs Neue die Frage: dürfen die Musen singen, wenn die Welt im Argen liegt?
Aber ich frage mich außerdem: Können sie das unter diesen Umständen überhaupt? Und auch: müssen sie vielleicht gerade dann erst recht? Oder: singen sie vielleicht schlicht und ergreifend ein anderes Lied, aber sie singen – denn sie können gar nicht anders.
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