FORMSTRENGE ALS ANARCHIE
Seit wenigen Tagen bin ich wieder zurück in Deutschland. Ich war gespannt, welche literarische Nachricht mir als erstes über den Weg flattert. Es war die Nachricht, dass Elke Erb den Preis der Literaturhäuser 2011 erhalten hat. Dieser Preis wird jährlich einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin verliehen, der/die sich „im besonderen Maße um das Gelingen von Literaturveranstaltungen verdient gemacht hat.“ Das ist – gerade bei einer Lyrikerin – nicht selbstverständlich. In der Begründung der Jury heißt es unter anderem: „Elke Erbs Werk ist ein lebenslanges Tagebuch, in dem das Artifiziellste sich als das Alltäglichste offenbart, Formstrenge als Anarchie, Derbheit als Feingefühl.“
Mich interessieren Schriftsteller*innen, die in ihrer Kunst scheinbar unvereinbare Extreme zu verbinden wissen. So ließe sich beispielsweise das erlebende Kindheits-Ich und das schreibende Erwachsenen-Ich als zwei unverbundene Seelen ansehen. Dazu schreibt Erb in ihrem aktuellsten Gedichtband Meins folgendes:
Dieser Tage habe ich erblickt, gefühlt & verstanden,
daß in meinem Schreib-Ich das Kind-Ich,
die Eifeler Ich-Person mitspricht.
Sie ist noch da, ich habe sie erblickt:
Kenntlich an Augen und Stirn
Der Preis ist im Übrigen durchaus eine zweischneidige und in jedem Fall anstrengende Sache. Er besteht nämlich (neben 11.000 Euro Preisgeld) aus einer Lesereise durch alle im Netzwerk zusammengeschlossenen Literaturhäuser. Und das sind immerhin elf. Erb wird also zwei Monate lang unterwegs sein. Hoffentlich geht ihr die Freude an Veranstaltungen dabei nicht verloren. Und wie der Zufall so will, liest sie heute Abend in Berlin.
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