HINTER MEINEN AUGEN STEHEN WASSER
In dieser Woche hat mein aktueller Buchclub an der FU begonnen. Dieses Mal dreht sich alles um die Literatur der Nobelpreisträgerin Herta Müller und so lese ich derzeit unter anderem wieder ihr unglaublich faszinierendes Werk Die Atemschaukel. Erschreckend und faszinierend, prosaisch und lyrisch gleichzeitig.
Die Erfahrungen der Zwangsarbeiter*innen: all das, was diese Menschen auch nach so langer Zeit in ihrem Herzen tragen müssen. All dem gibt Herta Müller eine Sprache, die so starkt sind, dass sie in meinen Alltag hineinwirken.
Und so schaukelt mein Atem in diesen Tagen auch in Verbindung zu all diesen Geschichten und Bildern, sehe ich in der Kälte meine Atemluft mit anderem Blick… eine leere Schaukel auf einem Spielplatz… Und wieder einmal verbinden sich aktuelle Lektüre und die Wahrnehmung im eigenen Alltag auf wundersame Weise.
Der heutige Sonntag schenkt mir eine weitere Verschmelzung, als eine Freundin während unseres Spaziergangs in die Blaue Stunde hinein ganz unvermutet ein Gedicht von Else Lasker-Schüler rezitiert. Eines ihrer Lieblingsgedichte, das sie bereits seit Jahren in ihrem Herzen trägt.
Es kommt mir so vor, als sei ihre Stimme auch die Stimme dieser Lyrikerin und gleichzeitig die von Herta Müller und die der vielen Menschen, von denen in der Atemschaukel die Rede ist.
Und so möchte ich ein paar Zeilen aus „Ein Lied“ durch die Lüfte zu Ihnen senden. Ich bin sicher, dass diese bei Ihnen gut aufgehoben sind.
Hinter meinen Augen stehen Wasser,
die muss ich alle weinen.
Immer möcht ich auffliegen,
mit den Zugvögeln fort
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