22. Juli 2011

HOUSEWIFE FINDS TIME TO WRITE SHORT STORIES

Zu meinen Stoffbahneintrag vom 10. Juli habe ich mehrere Reaktionen erhalten. Interessant beispielsweise, was mir eine Webdesignerin geschrieben hat, die sich just ein paar Tage zuvor einen Erzählband von Alice Munro bestellt hatte, und in bezug auf das Roman/Kurzgeschichten-Thema schreibt: „ Vielleicht hatte es zunächst ganz praktische Gründe, dass sie Erzählungen geschrieben hat, einfach weil nur begrenzt Zeit für das Schreiben vorhanden war und so hat sie eine verdichtete Form gefunden.“

Diese pragmatische Erklärung deckt sich mit der Überschrift des ersten Porträts, das 1961 über Munro in der Vancouver Sun erschienen ist: Housewife finds time to write short stories.

Und tatsächlich hat Munro in späteren Jahren bemerkt, dass sich die Short Story als die ihr eigene Form ergeben habe, weil sie zwischen ihren anderen Tätigkeiten nie genug Zeit und Konzentration für einen Roman habe aufbringen können.

Selbstverständlich ist dies letztlich kein überzeugendes Argument. Schließlich gibt es jede Menge Autor*innen, denen wenig Schreibzeit zur Verfügung steht und die dennoch erfolgreich Romane schreiben.

Außerdem sagt diese Erklärung nichts darüber aus, ob Munro Romane geschrieben hätte, wenn ihr mehr Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Ich bezweifle das stark und vermute vielmehr, dass sie intuitiv gespürt hat, dass ihr die kurze literarische Form liegt und ihre Lebensumstände haben sie zusätzlich darin unterstützt, es mit dieser Form zu probieren. Niemand vermag dies zu sagen. In letzter Konsequenz auch Munro selbst nicht.

Ich bin der Überzeugung, dass jeder schreibende Mensch literarischen Gesetzen folgt. Die Frage ist nur: in wieweit sind ihm diese bewusst?

Und: in wieweit will und kann er sich von all diesen literaturhistorischen, kulturell und familiär geprägten Gesetzen befreien und seine eigenen schaffen? Nur ihnen sollte er sich verpflichtet fühlen.

(Interessant wird dieser Aspekt übrigens, wenn sich Autor*innen im Laufe ihres Schreibens entwickeln oder Genres und Formate wechseln: ändern sich dann auch die Gesetze, an denen sie sich orientieren? Oder werden diese lediglich anders angewendet? Aber das führt hier in diesem blog zu weit…)

Gelingt dies, dann tritt bei den Leser*innen ein Gefühl von Selbstverständlichkeit ein. Das Gefühl, dass diese Autorin und jener Schriftsteller nur so und nicht anders hat schreiben können. Wie im Fall Munro.

Dazu passt der letzte Satz der mail, aus der ich zitiert habe: „So hat sie eine verdichtete Form gefunden und es sieht so aus als wäre es ihre.“ Ja, es sieht ganz so aus…

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