LISTENING TO LIDA
Es ist jetzt zwei Wochen her, seit ich im neu eröffneten Düsseldorfer Kunstpalast einen Art Journaling Workshop geleitet habe und einige Kunstwerke ploppen immer wieder in meinen Gedanken auf.
Grande Écriture (Große Schrift) beispielsweise, ein Werk des venezolanischen Künstlers Jesús Rafael Soto, einem der bedeutendsten Vertreter der kinetischen Kunst und der Optical Art, wie ich jetzt weiß (ich hatte noch nie von ihm gehört). Soto hat von 1962 an eine ganze Écriture/Writing-Serie geschaffen: Große monochrome Bilder, vor denen Drähte und Streifen auf raffinierte Weise gespannt sind, so dass sich hypnotische Effekte ergeben, wenn man sich vor dem Bild bewegt, so als ob man an Riesenhandschriften vorbeilaufen würde.
Doch meine Seele berührt hat das Bildnis Lida Bendemann, 1847 gemalt von ihrem Mann Eduard, Vertreter der sogenannten Düsseldorfer Schule, die unter Einfluss der Romantik stand und – leicht süffisant – oft als Seelenmalerei bezeichnet wurde. Lida, auf dem Foto rechts an der Wand, hat sofort zu mir gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass sie Salonière ist, einen großen Freundschaftskreis hat und Clara Schumann, der größten Komponistin, Pianistin und Klavierprofessorin ihrer Zeit, von Herzen zugeneigt ist. (Es stimmt alles, ich hab’s recherchiert). Eines meiner Art Journaling Experimente fand in genau diesem Raum statt und es hat mich überhaupt nicht gewundert, dass sich eine Teilnehmerin schnurstracks mit einem Klappstuhl vor Lida gesetzt und aufgeschrieben hat, was diese ihr zu sagen hatte. Jetzt, zwei Wochen später, muss ich an ein Zitat von Joseph Beuys denken: „Indem der Mensch mit der Kunst konfrontiert ist, ist er im Grunde mit sich selbst konfrontiert.“ Beuys, ebenfalls im Kunstpalast vertreten, liegt nahe: er hat jahrelang an der Düsseldorfer Kunstakademie unterrichtet und wurde 1972 schließlich entlassen, weil er seine Klassen verbotener Weise für alle Bewerber*innen zugänglich machen wollte. Ich teile seine Haltung, die in diesem Zitat deutlich wird. Denn ich bin davon überzeugt, dass es bei aller Bedeutsamkeit letztlich nicht um das Kunstwerk an sich geht, sondern immer um die Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter*in. Art Journaling kann diese Beziehung vertiefen. Dann wandelt sich die Konfrontation mit sich selbst in Selbstreflektion.
Foto © Florentine Hötzel
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