03. Dezember 2017

SOFFLEUSE ODER SOUFFLÉ?

Vor drei Tagen beim Zahnarzt: es ist eine lange Sitzung und im Laufe der Zeit bin ich in ein lebhaftes Gespräch mit der Assistentin verwickelt, das wir immer dann fortführen, wenn der Zahnarzt für eine gewisse Zeit den Raum verlässt (vermutlich, um zwischendrin jemand anderen zu behandeln, man kennt das ja…)

Bei der dritten Unterbrechung fragt mich die Assistentin plötzlich:

„Arbeiten Sie?“

Diese Frage wurde mir noch kein einziges Mal gestellt (jedenfalls erinnere ich mich nicht). Ich bin verblüfft, kann die Frage auch gar nicht sofort einordnen und starre ein paar Sekunden auf den Mundschutz, der vor meiner Nase schwebt. Dann verstehe ich: sie denkt, dass ich vielleicht eine Frau bin, die gar nicht berufstätig ist.

Nicht berufstätig? Noch nie ist mir dieser Gedanke gekommen, ein Leben ohne Berufstätigkeit zu führen (und das wiederum verblüfft mich ebenfalls).

„Ich bin Schreibcoach,“ sage ich und erkläre – routinemäßig vereinfachend –, dass ich also Menschen bei ihren literarischen Projekten begleite, beispielsweise, wenn sie ein Buch schreiben wollen. (Denn kaum Jemand weiß, was ein Schreibcoach ist und vielen ist es peinlich, nachzufragen.)

Während ich das sage, kommt der Zahnarzt zurück und weiter geht’s mit der Behandlung. Ich öffne den Mund und schließe die Augen, als das Licht wieder penetrant auf mein Gesicht gerichtet wird.

„Sie ist Ghostwriter,“ sagt die Assistentin und ich kann mich gerade noch zurückhalten, den Kopf zu schütteln (schließlich will ich unbedingt verhindern, dass das kreischende Gerät, das sich gerade in meinem Mund befindet, abrutscht). Stattdessen knurre ich nur kurz und hebe leicht die Hand, aber nicht zu sehr, denn Handheben ist das vereinbarte Zeichen dafür, dass der Arzt sofort unterbrechen soll.

„Ah, eine Souffleuse!“ sagt er und lacht kurz auf.

Ich knurre wieder, dieses Mal etwas lauter.

Als Schreibcoach wie eine Souffleuse zu arbeiten, ist so ungefähr das Schlimmste was ich mir vorstellen kann. Denn es würde bedeuten, dass ich meinen Klient*innen Sätze, Wörter oder gar ganze Texte einflüstern würde, die sie dann lediglich nachsagen, sprich: nachschreiben würden. Sätze, von denen ich überzeugt bin, dass es die für sie passenden sind. Eine Anmaßung wäre das.

Aber da vermutlich weder Zahnarzt noch Assistentin an diesen „Details“ interessiert sind, seufze ich lediglich resigniert und versuche mein Gehirn davon zu überzeugen, statt an eine Souffleuse lieber an ein Soufflé zu denken. Das funktioniert auch, was ich am verstärkten Speichelfluss merke und daran, dass die Assistentin sich beeilt, das Speichelabsaug-Gerät in meinen Mund zu hängen.

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