WAS DAS TIER DER WÜSTE LIEBT
Vorgestern war ich wählen, gestern auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung und heute habe ich rund eine halbe Stunde lang mit einer fremden Frau vor einem Veranstaltungsplakat diskutiert. Alle drei Dinge haben eines gemeinsam: es ging immer auch um Freiheit.
„Freiheit wird einem nicht gegeben. Die muss man sich nehmen“, war die künstlerische Überzeugung von Meret Oppenheim, was nicht heißt, dass ihr das immer leicht gefallen ist. Auch die meisten meiner Schreibcoaching-Klient*innen ringen damit, wieviel Freiheit sie sich in ihrem Schreiben nehmen dürfen = schenken wollen, beispielsweise, wenn es um stilistische Experimente geht. Was mich wieder zum Plakat führt, Werbung für das Berliner Philosophie-Festival Ende Juni, bei dem sich alles um die Frage „Was heißt hier Freiheit?“ drehen wird. Und bei dem auch Kim de l’Horizont Gast sein wird, der/die sich mit Blutbuch große Freiheit geschenkt hat und dafür mit vielen Preisen und noch mehr Übersetzungen belohnt wurde.
Mit der Fremden habe ich genau darüber diskutiert. Was heißt Freiheit? Sie sei aus der DDR, hat sie erzählt und es sei ihre Überzeugung, dass die äußeren Grenzen damals zu keiner Zeit ihre Freiheit eingeschränkt hätten, denn Freiheit sei immer die innere Freiheit. Dann dirigierte sie die europäische Hymne an, die Ode an die Freude, während sie erzählte, dass Leonard Bernstein seinen Chor zum Jubiläumskonzert 30 Jahre nach dem Mauerfall singen ließ „Freiheit, schöner Götterfunken“ und weil sie schonmal bei Schiller sei… sie überlegte kurz… ahja… Freiheit liebt das Tier der Wüste, frei im Äther herrscht der Gott. Ihrer Brust gewaltge Lüste… in etwa so, aber dann kommt’s: und allein durch seine Sitte kann er frei und mächtig sein. Wir nickten still und dachten vermutlich unterschiedliches. Dann verabschiedeten wir uns.
P.S.: À propos Freiheit… ich mache jetzt erstmal sommerliche blogpause und bin ab September wieder hier zurück. Lesen Sie wohl bis dahin.
zurück