17. Oktober 2015

WIEDERKOMM’M

IMG_8080Auf meinen im letzten Blog dezent (?) eingeflochtenen Hinweis, dass Ringelnatz nicht zu meinen Lieblingsdichtern gehört, gab es einigen Protest. Eine Leserin will beispielsweise „eine Lanze für good old Ringelnatz brechen.“ und schreibt, dass sie als Kind den kleinen Kuttel Daddeldu „seeeehr geliebt“ habe.

Ringelnatz erfindet als Kabarettist diesen knurrigen Seemann, den er auf der Bühne auch selbst spielt. Erstmals taucht er 1920 in seinem Gedicht Vom Seemann Kuttel Daddeldu auf. Unter anderem durch die Figur Daddeldu wird Ringelnatz berühmt – bis ihn das Nazi-Auftrittsverbot zum Aufhören zwingt.

Doch seine Kunstfigur lebt weiter: 1963 erweckt sie Hans Krause Kabarett-Autor und Chef des Berliner Kabaretts Distel,  zu neuem Leben. Der erste sozialistische Kuddeldaddeldu hat 1965 Premiere in der SED-Tageszeitung „Neues Deutschland“. Auf der Bühne hat ihn der Distel-Kabarettist Heinz Draehn zeitlebens dargestellt und zur berühmtesten DDR-Kabarettfigur gemacht. (Dass Kuttel jetzt plötzlich mit doppel-d statt mit Doppel-t geschrieben wird, ist ursprünglich ein Druckfehler im Distel-Programmheft und wurde dann kurzerhand beibehalten.)

Daddeldu übrigens ist ein Seemanns-Wort für Feierabend und Nachtruhe. (Ringelnatz war zeitweise Seemann). Und es ist ein Wort, das einem anderen deutschen Schriftsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefallen hat oder hätte: Arno Schmidt.

Heute möchte wiederum ich eine Lanze für diesen sehr speziellen Autor brechen, über den gerade eine sehr sehenswerte und in meinen Augen außerordentlich gut gemachte Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin noch bis Anfang Januar zu sehen ist. Eine Menge Ausstellungsstücke repräsentieren den Kosmos des sprachmächtigsten, innovativsten und provozierendsten Autors der Nachkriegszeit. So heißt es in der Ausstellungsankündigung und so das kann man wohl nur unterstreichen. Natürlich sind seine berühmten Zettelkästen zu sehen (sein Archiv für Zettels Traum). Aber auch Manuskripte, Schreibutensilien, Postkarten, ein Teddy, ein Rindenholzschiffchen, seine vielen Tabletten und Eingemachtes aus dem Keller.

Hat man nach insgesamt 100 (!) Stationen den Schmidt’schen Kosmos in sich aufgesogen, kann man ein Tütchen mit Gänseblümchensamen mit nach Hause tragen. Auf der Rückseite ist ein Ausschnitt aus „Abend mit Goldrand“ (1975) zu lesen.

Eine „Sie“ bückt sich in diesem Zitat und „spricht zu dem tapfren Gänseblümchen daneben): „Du mußt aber auch wieder komm’m.-“

Oh: da ergänze ich mal ganz schnell ein Daddeldu’sches Du (und fühle mich schon ein bisschen versöhnt mit Ringelnatz): DaddelDu mußt aber auch wieder komm’m.-“

Ob er wiederkommen wird?

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