BUCH IST SPRACHE IST WAFFE IST AXT
„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“ Über dieses berühmte Zitat von Franz Kafka habe ich in dieser Woche nachgedacht, als ich einen detaillierten Stundenplan für mein Wochenseminar „Ich schreibe, also bin ich.“ entwickelt habe. Ein Einführungsseminar in die Welt des Kreativen Schreibens, das ich im November an der Akademie Burg Fürsteneck in Hessen leiten werde und das als Bildungsurlaub anerkannt werden soll (deshalb ist bereits zu diesem frühen Zeitpunkt solch ein detaillierter Stundenplan erforderlich – falls Sie diese Information interessiert).
Ich fand dieses Zitat schon immer ambivalent. Will ich tatsächlich ein Buch als Axt benutzen, um das gefrorene Meer in mir zum Bersten zu bringen? Das hört sich für mich sehr gewalttätig an, direkt wie eine Selbstverletzung. Aber andererseits: vielleicht braucht es genau so etwas wie eine Axt, damit damit überhaupt erst einmal ein Loch zum Atmen entstehen kann. Und vielleicht ist dieser Akt der Befreiung notwendigerweise immer auch ein schmerzhafter. Eine Art autobiografische Geburt.
Nur wenige Jahre nach diesem Kafka-Zitat hat Kurt Tucholsky unter seinem Pseudonym Peter Panther etwas gesagt, das in diesen Tagen auf Plakaten in ganz Berlin zu sehen ist. Plakate, die mit unterschiedlichen literarischen Zitaten für das Literaturfestival READ! BERLIN werben, das vom 24. bis 30. April stattfinden wird.
Peter Panthers Aufruf an uns alle: „Sprache ist eine Waffe. Haltet sie scharf.“ (Vergleiche auch meinen BLOG-Eintrag vom 26. Mai 2012!)
Eine enge Verbindung zu Kafka. Und wieder sträubt sich etwas in mir. Wenn ich meinem Gefühl folge, will ich Sprache einfach nicht als Waffe bezeichnen. Auch dann nicht, wenn sie als Waffe im Kampf für das Gute eingesetzt wird (aber was ist in einem solchen Fall das Gute? Und wie gut kann das Gute weiterhin gut sein, wenn es mit Waffengewalt erkämpft wurde?). Mit dem Begriff Waffe assoziiere ich ebenso Krieg wie ich mit dem Begriff Axt Gewalt assoziiere.
Und doch: wenn ich meinem Verstand folge, dann sage ich, natürlich kann Sprache eine Waffe sein. Sie kann es nicht nur, sondern ist es sehr häufig.
Heute, nachdem sich Gefühl und Verstand eine Weile unterhalten haben, denke ich: Ja, Sprache kann als Waffe eingesetzt werden. Doch genauso gilt: Sprache kann im Gegenteil ent-waffnend wirken.
Und vielleicht geht es ja genau darum: Sprache als Waffe einzusetzen, um eine entwaffnende Wirkung zu erzielen. Eine Wirkung, die gefrorenes Eis zum Schmelzen bringen kann… auch ohne den Einsatz einer Axt. Nur aufgrund der Wärme von Worten.
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