lesezeichen
Seit meiner Zeit als Buchhändlerin habe ich mich darin trainiert, Zusammenhänge zwischen Mensch und favorisierter Lektüre zu erkennen. Sage mir, was du liest und ich sage dir, wer du bist.
Besonders interessieren mich Menschen, die in der Öffentlichkeit lesen. Situationen, in denen öffentlicher Raum und intimer Lese-Raum miteinander verschmelzen. Eine Zeitlang habe ich in ICEs Lesende mit ihrem Buch fotografiert. Diese Fotografien sind im Literaturarchiv Marbach ausgestellt worden.
Seit längerem ist mein beliebtestes Forschungsrevier die Berliner U- und S-Bahn. Fasziniert mich ein lesender Mensch, fotografiere ich ihn. Die Fotografie für sich genommen interessiert mich allerdings nicht. Um Näheres über Lektüre und Persönlichkeit zu erfahren, spreche ich die Leser*innen an und versuche, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Fotografie und Gespräch bilden in meiner Sammlung ‚lesezeichen‘ konzeptuell eine untrennbare Einheit.
Das Foto entsteht immer kurz bevor ich einen Menschen anspreche. Festgehalten ist also der letzte Moment, in welchem er sich noch in seiner eigenen Lesewelt befindet. Indem ich ihn anspreche, dringe ich in diese Welt ein, verändere sie und werde Teil von ihr.