BÜCHERBERGE
Während draußen gerade wunderbares Sonnenwetter ist, denke ich an den überraschenden Schnee-Einbruch, den ich vor wenigen Tagen in den Schweizer Bergen erlebt habe. Im Bergdorf Braunwald, Kanton Glarus, rund 90 Kilometer von Zürich entfernt und gesegnet mit einem klischee-traumhaften Panoramablick auf die Glarner Alpen.
Braunwald ist ein besonderes Dorf. Nicht nur wegen seiner Lage oder weil es autofrei ist und lediglich 300 Menschen hier leben, sondern auch, weil es sich um ein so genanntes Bücherdorf handelt.
An rund fünfzehn Stellen laden offene Schränke und Regale voller Bücher dazu ein, in diesen zu blättern und sie auszuleihen. Beispielsweise im Tourismusbüro, am Bergrestaurant Chämistube oder im Märchenhotel Bellevue. Und dann gibt es noch die Bücherkästen, die direkt an den Holz-Hauswänden angebracht sind. Auf dem Foto sehen Sie beispielsweise den Kasten am Ross-Stall Tödiblick.
Immer steht eine wettergegerbte Sitzbank daneben, auf der man sich gleich in die Bücher vertiefen kann und entscheiden, ob man sie wieder zurückstellen oder mitnehmen möchte.
Klar, dass ich welche ausgeliehen habe, um in ihnen spätabends zu lesen und dann zu entscheiden, ob ich sie wieder in ihr Bergnest zurückbringen oder ihnen stattdessen im Berliner Flachland eine neue Heimat bieten würde (denn auch das ist erlaubt: man darf sie mitnehmen!).
Zwei Bücher liegen jetzt hier in meinem Arbeitszimmer und genießen den klischee-traumhaften Panoramablick auf die Berliner Skyline: Das schwarze Buch von Orhan Pamuk sowie ein wunderbares altes französisches Bilderbuch mit dem Titel Daniel et Valérie en Angleterre.
Das Bilderbuch habe ich vermutlich auch deshalb gewählt, weil in ihm eine typische englische rote Telefonzelle abgebildet ist und eine solche tatsächlich auch in Braunwald am Mittleren Höhenweg steht. Natürlich ohne Funktion, aber wenn man die Tür öffnet, liest man ein Schild, auf dem steht: „Hier können Sie Ihr Mobiltelefon nutzen.“
Und das ist mal wieder der Beweis: die SchweizerInnen haben nicht nur tolle Bücherdörfer, sondern auch Humor.
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