25. September 2016

DAS SPINNENNETZ

img_4886Das ist mein Blick, während ich gerade diesen Blogbeitrag verfasse.

Als ich vor einer Viertelstunde eigentlich über etwas ganz Anderes schreiben wollte, sah ich über dem Rand meines Laptops – zwischen zwei Gitterstäben – ein kleines filigranes Spinnennetz, das vom Wind sanft bewegt wurde.

Carly Simons Song „Itsy Bitsy Spider“ summte sofort durch meinen Kopf und verband sich mit den beeindruckenden Spinnenskulpturen von Louise Bourgeois, zu deren künstlerischen Strategien ich gerade ein Seminar leite. Bourgeouis bewunderte diese Tiere, die alles, was sie zur Beschaffung von Nahrung benötigen, aus sich selbst generieren und dabei solche filigranen Kunstwerke schaffen. Hierin sah sie eine Verbindung zu Künstler*innen, die ihre Kunstwerke in letzter Konsequenz ebenfalls  ausschließlich „aus sich selbst heraus“ produzieren.

Und ich dachte an einen literaturdidaktischen Beitrag, den ich vor kurzem irgendwo gelesen habe, der Verfasser hieß Spinner, was offensichtlich der Grund war, warum er mir in diesem Moment einfiel. Spinner hat über das Gestalten als Grundform menschlichen Verhaltens zur Umwelt geschrieben und entsprechend die Bedeutung des Kreativen Schreibens im Rahmen des schulischen Literaturunterrichts hervorgehoben. Eine ernstzunehmende Gefahr sei allerdings, dass der literarische Text zum Schreibanlass verkomme und lediglich Initialzündung für das eigene gestalterische Produkt sei.

Tja, was ist wertvoller? Ein literarischer Text als solcher? Oder ein literarischer Text, der dazu motiviert, selbst zu schreiben? Und ist es überhaupt notwendig, beides gegeneinander auszuspielen?

Ich sehe wieder zum Spinnennetz = Nahrungsfalle = Kunstwerk, dessen Fadenmuster je nach Lichteinfall immer an unterschiedlichen Stellen leuchtet.

Sie werden es auf diesem Foto mit großer Wahrscheinlichkeit nicht sehen können. Und doch ist es da. Und zwar direkt oberhalb der Blütenspitzen der aufstrebenden Blume.

Auch ein unsichtbares Kunstwerk kann inspirieren. Davon bin ich überzeugt.

Man muss lediglich darauf vertrauen, dass es existiert.

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