27. April 2014

ES GIBT KEINEN TOD

In dieser Woche wurde eine große Totenfeier für den verstorbenen Gabriel García Màrquez ausgerichtet.

Der Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ ist das berühmteste Werk des kolumbianischen Autors. In den knapp 50 Jahren, seit dieses Buch auf dem Weltmarkt ist, wurde es bereits 30 Millionen Mal verkauft. Das macht 3 Millionen in 5 Jahren, 600.000 pro Jahr und bedeutet also, dass durchschnittlich 1.600 Mal pro Tag irgendjemand irgendwo auf der Welt dieses Buch gekauft, vielleicht verschenkt, vielleicht gelesen hat.

Das ist kaum vorstellbar, finde ich. Und selbst wenn die Verkaufszahlen direkt nach Erscheinen, direkt nach Erhalt des Nobelliteraturpreises und jetzt, direkt nach seinem Tod, vermutlich am höchsten sind, so ist doch anzunehmen, dass es in den letzten 50 Jahren keinen einzigen Tag gab, an dem dieses Buch NICHT gekauft wurde…

Diese Zahlen sind beeindruckend. Aber viel beeindruckender waren sicherlich die vielen Tausend gelben Papierschnipsel, die anlässlich der Totenfeier vor dem Palast der Schönen Künste in Mexico-Stadt durch die Luft flatterten. Als Symbol für die gelben Schmetterlinge im Roman.

Zwei verschiedene Perspektiven auf ein Buch: Wirtschaftliche Zahlen und literarische Bilder. Zwei wesentliche Pole, zwischen denen sich jeder Roman bewegt. Doch nur wenigen Autor*innen ist es vergönnt, dass diese Symbole dreidimensional in der „realen Welt“ sichtbar werden und somit von sehr vielen Menschen gemeinsam genossen werden können.

Und ich denke: wie wunderbar, dass sich auf diese Weise der Magische Realismus, dessen Vertreter Gárcia Márquez war, plötzlich mit der unmagischen Realität verbunden hat. Schade nur, dass solche Inszenierungen meist erst anlässlich eines Todes passieren. Aber es gibt keinen Tod!

Davon ist zumindest Christoforo überzeugt. Eine Figur aus Ludwig Tiecks „Tod eines Dichters.“ Und es kommt sogar ein Marques vor: Marques de Castro. Und… ja!… auch Schmetterlinge:
„Es gibt keinen Tod!“ rief Christoforo aus. „Diese Umwandlung, die wir menschlich so nennen, ist nur ein Wechsel der Kleider, Übergang in andre Melodie, Umstimmung des Instrumentes. Aus dem starren Fels auf den hohen Bergen sehn wir Moos und Blümchen keimen, aus Erde, die Luft, Wind und Regen erst im unerbittlichen, ungastlichen Stein geschaffen haben; Würmchen und Schmetterlinge umflattern auch da oben in höchster Region das kindische Pflänzchen, das, selbst kaum lebend, schon jene nähren muß.“

Woran ich wohl denken werde, wenn ich das nächste Mal einen gelben Schmetterling sehe? An Marquez? An Magie? An Melodien?

Und Sie?

Lassen Sie es mich wissen. Das würde mich freuen.

zurück