4. Februar 2011

EU-PHORISCHE LEKTÜRE

In der letzten druckfrisch-Sendung mit Denis Scheck interviewt er unter anderem Aris Fioretos, dessen Roman Der letzte Grieche gerade bei Hanser erschienen ist. Scheck ist vom Buch unter anderem deshalb begeistert, weil es „die erogenen Zonen des Lesers antastet.“ Der Aspekt der Körperlichkeit beim Lesen eines Buches ist ein hochspannender! Haben Sie mal darauf geachtet, was sich in Ihrem Körper verändert, wenn Sie mit Freude und Lust (sozusagen) einen Roman lesen? Auch Fioretos greift die hingeworfenen Themenangel gern auf und spricht von körperlichen Reaktionen, von sinnlicher Erfahrung, von der Körpertemperatur, die sich verändere, vom Herzschlag etc. „Gute Literatur hat die Fähigkeit, körperliche Reaktionen hervorzurufen,“ sagt er.

Ich will ergänzen: Natürlich hat auch schlechte Literatur diese Fähigkeit. Denn für Ihren literarisch anspruchsvollen Geist (…) ist ein grottenschlecht geschriebenes Buch natürlich ein lesensgefährlicher Stressor.

Entsprechend lassen sich die typischen drei Stressreaktions-Phasen auf das Lesen eines solchen Buches übertragen: von der Schock-Phase („Um Himmels Willen, ich kann es nicht glauben, wie schlecht dieses Buch geschrieben ist!“) über die Widerstandsphase, in der sich Ihr Herzschlag, Blutdruck und Atemfrequenz erhöhen bis hin zur Erschöpfungsphase, in der Sie hoffentlich anstelle eines Zusammenbruchs des Organismus Ihr Buch Zu(sammen)klappen und mit einem tiefen Atemzug die Spur eines GUTEN Buches erschnüffeln.

Eines Buches, das Ihren Körper zwar ebenso „stressen“ wird, aber immerhin zu positivem Eu-Stress führt. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen Eu-phorische Lektüre!

P.S.: Die Silbe „Eu“ stammt übrigens vom Wort Euphemismus, und „Beschönigung“ ist wiederum ein rhetorisch-literarisches Stilmittel. Bei schlechten Büchern sollte man es allerdings nie anwenden!

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