HYGGE
In der vergangenen Woche habe ich an der Akademie Burg Fürsteneck in Hessen erneut eine Bildungswoche zum Thema Work-Life-Balance durch Kreativität und Achtsamkeit geleitet.
Immer wenn ich dort bin, fülle ich mehrmals täglich im Speisesaal meine Thermoskanne mit heißem Wasser aus der so genannten Heißwasserbrühanlage (ein wundervolles deutsches Wort, das ich mir gern auf der Zunge zergehen lasse – natürlich erst, wenn es etwas abgekühlt ist!) Neben den üblichen Teesorten wie Kamille oder Rooibos wurde dieses Mal eine neue Teesorte angeboten: Hygge.
Hygge! Das dänische Wort für Gemütlichkeit hat bereits seit einer Weile Hochkonjunktur und steht symbolisch für den Wunsch nach Geborgenheit in der Gemeinschaft und dem Wunsch danach, eine kleine Auszeit aus dem Hamsterrad des Alltags zu nehmen und erst einmal eine (echte oder symbolische) Tasse Tee zu trinken.
Dass Hygge Trend ist (eine Art Untertrend zur Achtsamkeit, könnte man sagen), hat beispielsweise Meik Wiking, ein Glücksforscher aus Kopenhagen, mit seinem Bestseller „Hygge – ein Lebensgefühl, das einfach glücklich macht“ bewiesen. Mittlerweile gibt es sogar ein Magazin mit entsprechendem Titel, dessen mittlerweile fünfte Ausgabe gerade erschienen ist.
Und jetzt also auch ein Tee!
Wie sich der Wunsch nach Achtsamkeit in Produktnamen spiegelt (um diese besser zu verkaufen), verfolge ich seit Jahren mit detektivischem Interesse. Die Produktsparte Tee ist dabei besonders augenscheinlich. So haben beispielsweise die Firmen Bünting, Spiegelburg und Teekanne jeweils einen Tee in ihrem Sortiment, der „Kleine Auszeit“ heißt. Shotiumaa bietet „Goldene Mitte“ und Yogi Tea wahlweise „Klaren Geist“ oder „Frischen Geist“ (was immer der Unterschied auch sein mag) und seit kurzem außerdem die „Innere Harmonie“.
Hygge ist übrigens eine mit Zimtgeschmack aromatisierte Kräutermischung und wird auf der Website der Firma Goldmännchen folgendermaßen beworben: „Die meisten Menschen assoziieren mit Hygge an erster Stelle heiße Getränke, an zweiter Stelle kommen Kerzen. Mit einer Tasse Tee können wir sehr gut loslassen und z. B. gemütlich ein Buch lesen.“
Manche Teilnehmer*innen hatten in ihrem Gepäck tatsächlich eigene Teebeutel dabei. Sorten, die man gerne trinkt und auf die man jederzeit zugreifen kann, falls im Speisesaal-Tee-Angebot nichts Passendes dabei ist.
Im Grund so wie eigene Bücher, die man auf eine Reise mitnimmt, weil man nicht weiß, welche Titel man bei der Gastgeberin im Wohnzimmer oder in der kleinen Bibliothek des Familienhotels finden wird.
Machen Sie das auch? Bücher und Beutelchen mit auf Reisen nehmen?
P.S.: Ich hatte das Wort „Speisesaal-Tee-Angebot“ übrigens zuerst ohne Bindestriche geschrieben (wegen der Auf-der-Zunge-zergeh’-Qualität, Sie wissen schon!) Allerdings ist mir da der AAL visuell zu sehr entgegen gesprungen und diesen unhyggeligen Fischgeschmack wollte ich den Tees nicht zumuten.
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