29. November 2020

I AM BECAUSE MY LITTLE DOG KNOWS ME

Was wäre, wenn jeder Satz, den wir sprechen wollen, ganz automatisch in eine Melodie kodiert werden würde? Eine Melodie, die auf einem Algorithmus basiert und vom Gegenüber ganz selbstverständlich dekodiert werden kann. Kommunikation in Melodien statt in Worten. 

Gestern bin ich auf Deutschlandfunk zufällig über die Synthesizer Künstlerin und Komponistin Liz Kosack gestolpert, die mit solchen Schriftsystemen und Formen kreativer Kommunikation experimentiert. In diesem Zusammenhang hat sie auch von Hildegard von Bingen, der ersten Komponistin der Musikgeschichte, erzählt. 

Kosack, die auf den Tag genau 804 Jahre nach Hildegards Tod geboren wurde, beschreibt, wie Hildegard von Bingen in ihrem kreativen Schaffen vorging: sie war davon überzeugt, nicht ihre eigenen Gedanken zum Ausdruck zu bringen, sondern die Stimme Gottes. Doch dies sei, so Kosack, nicht nur ein Akt des von sich Absehens, sondern gleichzeitig der spezifische Ausdruck von Hildegards ureigener kreativer Energie, die sie eben nur auf diese Weise zum Sprechen bringen konnte.

Das interessiert mich enorm: all die verschiedenen kreativen Quellen und Strategien, die uns zur Verfügung stehen. Beim Komponieren ebenso wie beim Schreiben. Und die kreative Inspiration, die möglicherweise gerade dadurch entstehen kann, dass wir von uns „absehen“. Was immer das bedeuten mag.

„Selbsterfahrung ist für mich lähmend,“ sagt Kosack und ist damit genauso provokativ wie ihre Lieblingsautorin Gertrude Stein, deren Denken ebenfalls um Konzepte von Identität kreiste und deren Aussage „I am, because my little dog knows me.“ von Kozack in eine jener Algorithmus basierten Melodien übersetzt wurde.

P.S.: Ein weiteres Kosack-Spiel mit Identitäten: Kosack, die sich selbst außerdem als Maskenkünstlerin bezeichnet, trägt seit vielen Jahren bei all ihren Auftritten konsequent selbstgefertigte kunstvolle Masken, die ihren Auftritten eine zusätzliche ästhetische Dimension verleihen. „Wenn ich eine Maske trage, kann ich ganz ich selbst sein, ohne behindert zu werden.“ sagt Kosack.

Ob das mit einem Mund-Nasen-Schutz ebenfalls möglich ist? Was denken Sie?  

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