11. September 2011

IST BUCHSTABENVERBINDEN EIN ZEICHEN FÜR HARMONIESUCHT?

In dieser Woche, die stark geprägt ist durch den 10. Jahrestag der Ereignisse am 11. September 2001, erzählt mir ein Grundschullehrer von einer aktuellen Regellockerung in Sachen Schreiben: ab sofort müssen Kinder, wenn sie schreiben lernen, die Buchstaben der Wörter nicht mehr miteinander verbinden. Die Buchstaben dürfen also separat nebeneinander stehen.

Ich erinnere mich noch an die teils sehr mühseligen Versuche, das auslaufende „Schwänzchen“ eines Buchstabens um Himmels Willen irgendwie mit dem nächsten Buchstaben verbinden zu können. Und heute noch fällt mir bei Handgeschriebenem immer auf, ob Jemand die Buchstaben verbindet oder separiert. Wie kommt es, dass wir als Erwachsene diesbezüglich so unterschiedlich schreiben? Und lassen sich irgendwelche charakterlichen Rückschlüsse ziehen nach dem Motto „Zeige mir, wie du schreibst und ich sage dir, wer du bist“?

Ist das Buchstabenverbinden beispielsweise ein Hinweis auf Harmoniesehnsucht oder darauf, dass Jemand „im Fluss“ ist? Das Separieren von Buchstaben umgekehrt ein Zeichen von gesundem Trotz? Machen Sie doch mal den Test: schreiben Sie denselben Text einmal mit verbundenen Buchstaben, einmal mit separierten. Merken Sie einen Unterschied, was Ihr Denken und Fühlen betrifft (unabhängig davon, dass die eine Variante schlicht ungewohnter ist)? Und ist es zu weit gegriffen, diese neue gelockerte Regelung als gesellschaftliches Zeichen für eine Individualisierung zu sehen? Darf endlich jede/r nach seiner/ihrer eigenen (Schreib-)Facon glücklich werden? Und werden irgendwann auch die Rechtschreibregeln lockerer gehandhabt werden?

Immerhin gibt es immer mehr Menschen, die sich nicht um offizielle Rechtschreibung scheren. So ist mir in den letzten Tagen im Internet folgende Standardanmerkung zu einem individuellen Blog aufgefallen: „Alle Rechtschreibfehler sind Absicht! Zusammen ergeben sie eine geheime Botschaft, mit der ich versuche, die Weltherrschaft an mich zu reißen.“

Natürlich sind diese Sätze spielerisch und selbstironisch gemeint. Und doch denke ich in dieser Woche dabei automatisch an die Terroranschläge vom 11. September. Und ohne oberflächliche Erklärungsmuster stricken zu wollen, würde es mich doch sehr interessieren, welche Kulturen in ihren Schreibweisen die Buchstaben traditionell miteinander verbinden und welche sie einzeln notieren. Welche Auswirkungen hat das auf die eigene Art des Schreibens, Denkens, Fühlens?

Vielleicht empfinden Sie diesen Blogeintrag als zu extrem? Vielleicht sogar als geschmacklos? Ich stehe ganz am Anfang bei diesen Überlegungen und wollte Sie dennoch gleich mit Ihnen teilen. Umso mehr bin ich an Ihren persönlichen Gedanken und Erfahrungen dazu interessiert.

zurück