07. Dezember 2015

MÄNNER OHNE EIGENSCHAFTEN

IMG_8342Nächsten Mittwoch beginnt mein Buchclub zu Musils Mann ohne Eigenschaften. Nach Ulysses von James Joyce der zweite Mammutroman alias Jahrhundertroman alias 1000-Seiten-Schmöker, den ich mir selbst zur Freude und mir selbst zur Qual ausgewählt habe.

Denn eins steht fest: nimmt man sich ein solches Buch vor und versucht, dessen viele Dimensionen auszuloten, dann hat dies einige Zeit lang starken Einfluss auf das eigene Leben: auf die Gedanken, die kommen und gehen. Auf Art und Weise der Ideen, die sich entwickeln. Und auf die Art und Weise, wie Welt, Umwelt und Mitmenschen wahrgenommen werden.

Man könnte auch sagen: der Möglichkeitssinn in Bezug auf das eigene Leben verschiebt sich. Zumindest ein klitzekleines Bisschen. Eventuell gar nicht direkt nachweisbar. Aber dennoch spürbar.

Allein schon die Tatsache, dass es mir gerade ganz selbstverständlich den Möglichkeitssinn hier ins Spiel bringe: das ist eindeutig geprägt durch die Lektüre des Romans.

Denn der Möglichkeitssinn ist meiner Ansicht nach einer der zentralen Begriffe und Phänomene des Romans. Und – schwupps! – schon hat er sich in meine Gedankenwelt und in diesen Blog hineingeschlichen.

Hineingeschlichten in mein visuelles Gedächtnis wiederum hat sich dieses Bild, das ich auf dem Kurfürstendamm aufgenommen habe. Direkt neben dem Haus, in welchem Musil an seinem Mann ohne Eigenschaften schrieb, befindet sich ein COS-Store. Und es kam mir so vor, als wäre dieser Mann im Schaufenster eine Art Hommage an bzw. Anspielung oder Antwort auf diesen literarischen Mann, von dem man im Übrigen durchaus behaupten kann, dass er mit jeder Menge Eigenschaften ausgestattet wurde. Vom Autor. Nicht von COS. Was schade ist, denn dieser Anzug hätte ihm sicherlich gut gestanden, dem eigenschaftslosvollen Ulrich. Ganz abgesehen davon, dass Musil selbst immer viel Wert auf Kleidung gelegt und sogar eine außerordentliche Dandy-Phase durchlebt hat.

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