15. Oktober 2017

MESSEN

Mein Gehirn war in der vergangenen Woche offensichtlich noch im Wort-Spiel-Modus der Vorwoche, in der mich das Wort DURCHSETZEN nicht losgelassen hat. Dieses Mal war es das Wort MESSE.

Klar: es war die Woche der Buchmesse. Ich habe sie dieses Mal lediglich von Köln aus verfolgen können, wo ich einige Tage gearbeitet habe. Im Kölner Dom wollte ich mir außerdem unbedingt die Kirchenfenster im so genannten Südquerhaus ansehen, die Gerhard Richter vor zehn Jahren gestaltet hat.

Als ich aus diesem Grund den Dom betrete, probt eine Sängerin gerade das Ave Maria – kaum zu glauben, aber wahr. Ihre Stimme wird über Lautsprecher übertragen und ich stelle mir vor, dass sie für die Sonntagsmesse probt. Der Seitenflügel ist zwar, wie sich herausstellt, durch ein Seil abgesperrt, aber wenn ich mich weit nach vorn lehne, kann ich die rund 11.000 Farbquadrate sehen, die Richter in einem Zusammenspiel aus Zufall und genauem Kalkül angeordnet hat.

Auf meinen Fotos fällt mir später die Ähnlichkeit zum Rolling Stones Konzert auf, das ich wenige Tage vorher in Düsseldorf genossen hatte. Die hochkantigen Kirchenfenster, durch die das Licht von Außen in den Innenraum der Kirche scheint und auf denen Motive zu sehen sind, die uns Geschichten erzählen ähneln den hochkantigen Projektionsflächen auf der Stones-Bühne, die – ebenfalls von hinten – beleuchtet waren und auf denen neben Live-Bildern ebenfalls vorproduzierte Motive zu sehen sind, die Geschichten erzählen.

All das sind Messen, so scheint es mir plötzlich: die Messe in der Kirche ebenso wie das Stones-Konzert und auch die Buchmesse, mit all ihren hochkantigen Buchcovern: ebenfalls eine Art Fenster, durch die der (vermeintliche) Charakter des Buches scheinen soll, versehen mit Motiven versehen, die Geschichten erzählen.

Auf einer tieferen Ebene ist das Verbindende dieser Messen meines Erachtens deren Inszenierung als Gesamtkunstwerk. Ein Gesamtkunstwerk, das alle Sinne anspricht. Dazu die Tatsache, dass auf vergleichsweise engem Raum in vergleichsweise kurzem Zeitrahmen Menschen mit vergleichsweise ähnlichem Interesse aufeinandertreffen. Diese Kombination macht Messen zu etwas Besonderem und ist umgekehrt der Grund, warum viele Menschen Messen grundsätzlich ablehnen: zu viel Trubel, zu viel Konsum, Kommerz, Verehrung und Inszenierung.

Die Wochenend-Ausgabe der Frankfurter Rundschau untertitelt in ihrer Wochenendausgabe den Leitartikel folgendermaßen: „Das Angebot auf der Frankfurter Buchmesse ist überwältigend. Fast erschlagend.“ Und genau das ist es wohl: überwältigend. Entweder im positiven oder aber im negativen Sinn.

Umso glücklicher bin ich, dass Gerhard Richter, der kein Freund inszenierter Massen oder (Kunst-)Messen ist, dennoch zum Gesamtkunstwerk des Kölner Doms beigetragen hat.

Und natürlich interessiert mich: falls Jemand von Ihnen auf der diesjährigen Buchmesse war: waren Sie überwältigt?

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