14. Dezember 2020

P.P.S.: WRITING IS LIKE SPYING

Dies ist ein P.P.S. zu meinem James Bond blogpost vor zwei Tagen.

Das MUSS einfach sein, denn heute wurde bekannt, dass – ebenfalls vor zwei Tagen – John le Carré, der wohl berühmteste Agentenroman-Autor gestorben ist. 

Im echten Leben hieß le Carré David Cornwell, war wie Bond MI6 Agent, konnte perfekt Deutsch, hat in Bonn als Nachrichtenoffizier in der britischen Botschaft gearbeitet, Deutschland immer als „heimatlich“ empfunden und hier auch seine ersten Romane geschrieben. Ein Pseudonym musste er deshalb annehmen, weil MI6 Angehörigen keine Buchveröffentlichungen unter ihrem richtigen Namen erlaubt waren. 

Le Carrés Romane sind ein gutes Beispiel dafür, dass so genannte Genreliteratur durchaus literarisch anspruchsvoll sein kann und mit Figuren ausgestattet, die psychologisch präzise durchleuchtet sind.

Allen voran sein wichtigster Protagonist George Smiley, der im Laufe seiner Romane bis zum Chef des MI6 aufsteigt. An Smiley reflektiert le Carré grundlegende Fragen nach Werten und Humanität, was sicherlich einer der Gründe ist, warum ihm vor einem Jahr der Olof-Palme-Preis für Frieden und Verständigung verliehen wurde.  

In einem Interview hat le Carré einmal gesagt „Writing is like Spying“ und ausgeführt, dass man in beiden Bereichen ein Auge haben muss für die Unvollkommenheiten der Menschen. 

Bei ihm hat sich das in erster Linie auf seinen Vater bezogen, der ein Hochstapler und Betrüger war und mehrere Jahre im Gefängnis lebte. 

Le Carré verarbeitete die Beziehung zu seinem Vater in vielen Romanen, allen voran im stark autobiografisch geprägten Roman ‘Ein blendender Spion‘, den der amerikanische Autor Philip Roth als „the best English novel since the war“ bezeichnet hat.

Ohne seinen Vater, so hat Le Carré gesagt, hätte er seine Spione nie so gestalten können, wie er es getan hat. 

So ist dieser Autor für mich letztlich auch ein beeindruckendes Beispiel für die Möglichkeit, aus der eigenen schmerzvollen Erfahrung mit realen Menschen besonders vielschichtige Figuren zu schaffen. Und zwar ohne dass dies notwendigerweise auf Kosten eines spannenden und unterhaltsamen Plots gehen muss. 

Jetzt muss ich aber Schluss machen, denn im TV kommt – eine weitere Koinzidenz! – Roald Dahl‘s Matilda auf Sat1. Auf dem Foto sehen Sie Matilda übrigens kurz nachdem sie ihrer Lehrerin erzählt hat, dass ihr Lieblingsautor „Darles Chickens“ ist. 

P.P.P.S.: Und wenn ich jetzt behaupte, dass auch Charles Dickens ein Agent war? Als „Agent of Change“ (so der Titel eines Buches, das vor fünf Jahren in der Cornell University Press erschienen ist) hat er nämlich immer wieder direkt und indirekt den gesellschaftlichen Wandel im viktorianischen Zeitalter beschrieben… 

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