RAUMGEFÜHL
Seit gut einer Woche bin ich zurück aus der Akademie Burg Fürsteneck in Hessen, wo ich eine Bildungswoche Kreatives Schreiben geleitet habe. Immer wieder stand dabei das Thema Raum im Raum: der Raum unserer Fantasie, der Gedankenraum zwischen den Zeilen, die Wirkung des Raums, in welchem wir schreiben.
Meine Rückreise beginnt am kleinen Bahnhof Hünfeld, wo an der Wand des Bahnhofsgebäudes in großen Lettern steht: „Wer den Raum fühlen will, muss jeden festen Punkt aufgeben.“ Ja, denke ich: das trifft auch auf kreatives Schreiben zu. Um zu fühlen, wie groß unser innerer Schreibraum ist, müssen wir unsere festen Stand- und Schreibpunkte aufgeben. Das ist beispielsweise unsere scheinbare Sicherheit darüber, was wir schreiben können, was uns Freude macht oder wie gut oder schlecht das ist, was wir schreiben. Je mehr uns das gelingt, umso mehr werden wir diesen Freiraum fühlen.
Einige Stunden später, angekommen in Berlin, lande ich in der Bahnhofsbuchhandlung, wo ich im neuen Buch der Lyrikerin Ulrike Draesner blättere. Ich erinnere mich an einen Workshop, den ich vor Jahren gemeinsam mit ihr in der Schweiz geleitet habe. Ich mag ihre Lyrik. Ihr aktuelles Buch heißt „hell & hörig“ und spielt mit diesem Titel auch auf die Hellhörigkeit für so genannten Subsongs an, das Wispern, das wir in eben diesen Räumen zwischen den Zeilen von Gedichten und Texten hören können. Dann jedenfalls, wenn wir bereit sind, jeden festen Punkt aufzugeben.
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