31. Oktober 2023

STARBUCK

In dieser Woche hat ARTE mehrmals John Hustons Moby Dick Verfilmung gezeigt. Ich habe mir diese beeindruckende schwarz-weiß Verfilmung von 1956, in der Gregory Peck Kapitän Ahab spielt und auch Orson Welles einen Kurzauftritt als Pfarrer hat, gleich zweimal angesehen und beim zweiten Mal parallel alles Mögliche recherchiert. Zunächst wollte ich lediglich herausfinden, ob die Figur des besonnenen ersten Offiziers namens Starbuck, der als einziger dem wahnsinnigen Treiben Ahabs Widerstand entgegensetzt, irgendetwas mit der größten Kaffeehauskette der Welt zu tun hat, deren Logo mit einer Sirene ja ebenfalls Meeresbezug hat. Und tatsächlich: die Gründer bezogen sich auf Melvilles Figur. Interessant.

Dann fand ich heraus, dass Melville selbst mehrmals auf Walfangschiffen angeheuert hatte und ich kombiniere, dass er seine Figur nach dem Walfänger, Kapitän und Entdecker Obed Starbuck benannt hat, der Mitte des 19. Jahrhunderts eine unbewohnte Koralleninsel im Pazifischen Ozean entdeckte, die daraufhin Starbuck Island benannt wurde. 

Und schließlich habe ich bei meinen Recherchen einen neuen Begriff kennengelernt: den intradiegetischen oder auch homodiegetischen Erzähler. Haben Sie von dem schon einmal gehört? Er wird so genannt, weil er selbst Teil der Geschichte ist und sich somit in ein erzählendes und ein erzähltes Ich aufspaltet. Um einen solchen handelt es sich beim Matrosen Ismael, dem Ich-Erzähler des Romans, der uns als einziger Überlebender die Geschichte von Moby Dick erzählt. Als Literaturschneiderin finde ich das ebenso interessant wie die Tatsache, dass der erste Satz des Romans „Nennt mich Ismael!“ einer der berühmtesten ersten Sätze der Literaturgeschichte ist. Aber ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich als Jugendliche mit dem Roman nicht das Geringste anfangen konnte. Dabei hatte man mir sicher eine der vielen Jugendausgaben geschenkt, die aus den ursprünglichen 900 Seiten Hunderte von Exkurse über Gesellschaft, Glauben, Wissenschaft und Philosophie herauskürzten sowie eine Vielzahl an Stilen, Fachsprachen und Dialekten bis hin zu dialogischen Szenen mit Regieanweisungen. All das macht den ursprünglichen Moby Dick zu einem literarischen Juwel und meinen Kopf allein beim Auflisten bereits schwindlig. 

Es war mir nicht bewusst, dass Moby Dick in einem Atemzug mit Werken von Döblin, Musil, Joyce und Dos Passos genannt wird, die alle versucht haben, die moderne Welt in ihrer Vielfalt und Zersplitterung abzubilden und ihre Komplexität durch literarische Verweise auf Mythologie und Religion wieder zu einem Ganzen zu formen. Das sagt unter anderem Wikipedia. 

Und der Arena Verlag sagt, dass seine vor kurzem erschienene Bücherbär Kinderbuchausgabe in der Reihe „Klassiker für starke Kids“ bereits für Kinder ab 7/8 Jahren leicht zu lesen sei. Wäre es nicht spannend, das Original für Erwachsene und diese neueste Kinderbuchversion parallel zu lesen?  

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