WARUM WIR DAS HAPTISCHE ZEITALTER EINLÄUTEN SOLLTEN
Ich weiß: Beispiele für das Verschwinden des Buches in Zeiten von e-book readern etc. gibt es wie Sand am Meer. Aber heute früh musste ich mir tatsächlich die Augen reiben, als ein besonders repräsentatives Sandkorn plötzlich und unvermutet meine Augen gereizt hat:
Im ZDF Morgenmagazin war ein Bericht über die IFA Anlass, einen Interviewausschnitt mit der Sängerin Katie Melua einzuspielen, die sich gerade auf dem Vodafone Stand präsentiert hat. Melua, knapp 30 Jahre alt, erzählt, dass sie bei allem Stress, dem sie ausgesetzt ist, auch immer wieder Ruhe brauche. Natürlich habe sie „einen i pod und ein kindle“ und da könne es leicht passieren, dass man vergisst „wie sich ein echtes Buch anfühlt.“ Deshalb gehe sie ab und zu in eine Bibliothek, um mal wieder ein Buch in die Hand zu nehmen.
Wie gesagt: weder Einzelfall, noch etwas Besonderes. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der Melua das erzählt hat, gepaart mit dem strategischen PR-Taktik, von der Sinnlichkeit der Bücher zu sprechen: das hat mich aufhorchen lassen.
Und interessant außerdem: die Formulierung „echtes Buch“. Da frage ich mich natürlich, was der Unterschied zwischen einem Buch und einem echten Buch ist. Gibt es ein falsches Buch? Und ist ein kindle so etwas wie ein falsches Buch?
Wie würden Sie folgenden Satz vervollständigen: Ein kindle ist ein Gerät, mit dem man…
Ein Gerät, mit dem man Bücher lesen kann? Aber ist es denn wirklich ein BUCH, das man dann liest?
Genau genommen nicht. Ein Buch ist nämlich „ein größeres gebundenes Druckwerk“ (DUDEN) bzw. „eine mit einer Bindung und meistens auch mit Bucheinband (Umschlag) versehene Sammlung von bedruckten, beschriebenen, bemalten oder auch leeren Blättern aus Papier oder anderen geeigneten Materialien.“ (Wikipedia).
Heute, im Jahr 2013, sprechen wir tatsächlich noch vom Buch, das wir auf einem e-book (sic!) reader lesen. Aber wird das auch in zehn oder 20 Jahren noch so sein? Was meinen Sie?
Nachtrag: Nur wenige Minuten, nachdem ich diesen Blogeintrag online gestellt habe, ploppt der tägliche newsletter des Börsenblattes des Dt. Buchhandels in meinem Mailaccount. Und hier finde ich die Info, dass gestern in Frankfurt/Main die „schönsten und beiden allerschönsten Bücher“ mit dem Preis der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet worden sind. Im Artikel heißt es: „Über die Zukunft der Bücher ist ja nun alles gesagt (und schätzungsweise auch schon fast von jedem). Da tut ein Abend mal ganz gut, der sich auf die Gegenwart der Bücher konzentriert.“
Und dann lese ich von den „unverbrauchten, bedenkenswerten Worten“ der Modedesignerin Gabriele Strehle, die vorschlägt, nach dem optischen nun das haptische Zeitalter einzuläuten. Denn während unsere Augen von manipulierten Fotos und computeranimierten Filmen betrogen würden, lasse sich unser Tastsinn nicht betrügen.“ Sie, Strehle, glaube weniger an die Liebe auf den ersten Blick, viel mehr aber an die Liebe auf die erste Berührung.
Das konnte ich Ihnen doch nicht vorenthalten, oder? Auch wenn dieser Blogeintrag dadurch noch länger geworden ist.
Wenn Sie also das nächste Mal zum ersten Mal ein Buch berühren, dann…
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