29. März 2014

WAS REIMT SICH AUF PISSE?

In zwei Tagen wird Volker Schlöndorff, der sich – wie wohl kaum ein anderer deutscher Regisseur – der Verfilmung von Literatur gewidmet hat, 75 Jahre alt. Zu diesem Anlass zeigte 3:sat Kulturzeit vorgestern ein Interview mit ihm.

Ich höre Schlöndorff immer gern zu, zumal ich ihn sehr sympathisch und auf angenehme Weise reflektiert finde. Eine Sache hat mich aufhorchen lassen: Schlöndorff sagt, dass er sich bei seinen frühen Literaturverfilmungen – wie beispielsweise Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Die Blechtrommel oder Eine Liebe von Swann – immer auch hinter den literarischen Vorlagen versteckt habe. Er sei diesbezüglich etwas schüchtern gewesen. Erst als Dustin Hoffman ihn für die Verfilmung von Tod eines Handlungsreisenden „geholt“ habe, hätte sich das geändert.

Sich verstecken können hinter der literarischen Vorlage. Vielleicht sogar Schutz suchen und finden?

Daran muss ich vorgestern Abend, ein paar Stunden später, wieder denken, als ich Durs Grünbein in einem podcast über Poesie sprechen höre. Er wurde gefragt, warum Jemand überhaupt Gedichte schreibe, wo diese doch von kaum Jemandem gelesen werden würden. Grünbein antwortet:

„Es ist wahrscheinlich so, dass, wer ein Leben lang Gedichte schreibt, der sucht sich das nicht aus. Die Poesie sucht IHN aus, sucht SIE aus.“

Dann nennt er Rilke als Beispiel. „Er MUSSTE es tun, es sprach durch ihn hindurch. Er war eine Art Medium,“ und ergänzt „Heute sind wir etwas schamvoller.“ Schamvoller? Was bedeutet das? Und hat diese Scham ebenfalls etwas mit „sich verstecken“ zu tun?

Aber Grünbein meint offensichtlich genau das Gegenteil: „Wir versuchen ein aktiveres Verhältnis dazu einzunehmen. Sprache zu gestalten. Dichten als positiver Zwang.“

Dichten zwischen den Polen „Scham“ und „positiver Zwang“?

Eine literarische Beschreibung von Scham gibt Salman Rushdie in seinem Buch Scham und Schande:

„Stellen Sie sich Scham als eine Flüssigkeit vor, sagen wir als ein süßes Getränk, das aus Automaten gezogen wird. Sie drücken den richtigen Knopf, und ein Becher plumpst unter einen pissenden Strahl der Flüssigkeit.“

Ehrlich gesagt, kann ich mit diesem Becher-Bild nicht wirklich etwas anfangen. Auch wenn ich es durchaus poetisch finde.

Und weil das Grünbein-Interview im Rahmen des Welttages der Poesie (heute vor neun Tagen) aufgezeichnet wurde, gebe ich doch einfach mal die Frage „Was reimt sich auf Pisse?“ in die so genannte Reimmaschine im Internet ein.

„Von Besuchern als passender Reim bewertet“ heißt es da so schön und folgende fünf Wörter sind die meist genannten: Geschäftsinteresse, gewisse, Gänse, Devise und Luxuspreisklasse.

Hm… moderner Reim also.

Sich dahinter verstecken? Sich schämen? Zwanghaft weiter reimen? Sie haben die Wahl.

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